Wenn die Nordwestdeutsche Philharmonie (NWD) die Neujahrsmatinee der Philharmonischen Gesellschaft OWL in Bad Oeynhausen gestaltet, sind traditionell die Erwartungen hoch und die Stimmung ist fröhlich-ausgelassen. Beides war auch bei der 27. Neuauflage am Sonntag im ausverkauften Theater im Park der Fall.
„Crazy girl“ (zu deutsch: „verrücktes Mädchen“) war der spritzige Streifzug durch die Welt von Oper, Operette, Musical und Filmmusik überschrieben. In der gesanglichen Hauptrolle erlebten die Zuhörer Leonor Amaral. Nicht nur stimmlich wusste die Sopranistin zu überzeugen. Auch ihr schauspielerisches und tänzerisches Talent stellte die Künstlerin durchgehend unter Beweis.
Im Spannungsfeld von „My fair Lady“, „Mary Poppins“, „Cabaret“ und Co. war für die Portugiesin schnelles Umschalten gefragt. Dass sie sich in allen Genres des Musiktheaters zu Hause fühlt, demonstrierte Leonor Amaral am eindrucksvollsten beim Song „The Girl in 14G“. Hier verkörperte sie eine junge Frau, die nach dem Bezug ihrer Wohnung feststellt, dass unter ihr eine Operndiva und über ihr eine Jazzsängerin zu Hause ist.
Der Umgang mit der skurrilen Situation hat ein wildes Mischmasch aus klassischen Koloraturen und zeitgenössischem Vocaljazz zur Folge. Eine fordernde, aber zu lösende Aufgabenstellung für das „Crazy Girl“ Leonor Amaral. Zu Recht krönte das Publikum diesen Auftritt der charismatischen Sängerin mit viel Applaus.
Als Seele der festlichen Matinee zum neuen Jahr entpuppte sich Markus Huber. Nicht nur als Dirigent zeigte sich der Hannoveraner in Bestform. Als launiger Moderator sorgte er zudem zwischen den vortrefflich vorgetragenen Musikstücken mit zig Anekdoten für Lacher im Publikum.
So erfuhren die Zuhörer beispielsweise die Hintergründe zur Polka „Plappermäulchen“ von Josef Strauß: Der Komponist habe darin 1868 verarbeitet, dass seine zehnjährige Tochter ständig etwas vor sich hin gebrabbelt habe. Rund 100 Jahre jünger ist die Filmmusik aus dem Weltraum-Epos „Star Wars“. Gleich zwei Stücke aus der Feder des Erfolgskomponisten John Williams präsentierte die NWD. Auf das sanfte, einfühlsame Thema von Prinzessin Leia (Markus Huber: „Die wahrscheinlich schönste Musik, die jemals für einen Film komponierte wurde.“) folgten die archaischen, wuchtigen Klänge der Erkennungsmelodie von Bösewicht Darth Vader.
An einigen Punkten setzte Markus Huber auch auf die Interaktion mit dem Publikum. So wollte der Dirigent beispielsweise wissen, ob es in den 1960er Jahren ein Kino in Bad Oeynhausen gab. Das Publikum verwies auf das ehemalige Lichtspielhaus „Die Leiter“. „Dann stellen Sie sich einfach vor, Sie seien dort in einer Kinovorstellung, wenn Sie jetzt einen Song aus dem Film ‚Aufruhr im Spielzeugland‘ von 1961 hören“, meinte der musikalische Leiter.
Wie ernst die Antwort „Würstchenecke“ auf die Frage, ob es damals auch einen Nachtclub in Bad Oeynhausen gab und wie dieser geheißen hat, zu nehmen ist, sei einmal dahingestellt. Immerhin sorgte der Begriff für viele Lacher und ein Raunen im Zuschauersaal, bevor Leonor Amaral den Titel „Life is a cabaret“ anstimmte.
Zum Ende des regulären Programms erklatschten sich die Zuhörer mit „Que sera“ und dem Radetzky-Marsch noch zwei Zugaben mit hohem Ohrwurmpotenzial. Dann ging es zu Tatar vom Kalb, gebratenem Lachsfilet und Karamelltörtchen ins Kaiserpalais.
Grußwort des Vorsitzenden
„Es ist mir eine Freude, auch diesmal so viele Gäste zu unser Neujahrsmatinee begrüßen zu können“, sagte Viktor Herzog von Ratibor zu Beginn der 27. Neuauflage des Festkonzerts. Einen besonderen Dank richtete der Vorsitzende der Philharmonischen Gesellschaft OWL an die Sponsoren, die die Musikveranstaltung im Theater im Park mit anschließendem Drei-Gänge-Menü im Kaiserpalais ermöglichten. Es sind das Staatsbad und das Spielcasino Bad Oeynhausen sowie die Sparkasse Bad Oeynhausen-Porta Westfalica. Darüber hinaus schloss der Gastgeber ausdrücklich die Nordwestdeutsche Philharmonie in seine Begrüßung ein. Dem Klangkörper – er sprach stets von „unserem Orchester“ – sei 2019 etwas Besonderes gelungen. Laut Klassikportal bachtrack.com war es das am meisten beschäftigte Orchester der Welt – noch vor den Berliner Philharmonikern und dem Boston Symphony Orchestra.
Aus dem Westfalen-Blatt, Bad Oeynhausen, 13. Januar 2020, von Malte Samtenschnieder.